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Stellungnahme des Niedersächsischen Altphilologenverbandes zum Entwurf zur Änderung des Erlasses „Schulfahrten"

Die in dem neuen Erlassentwurf „Schulfahrten" vorgesehene Anhebung der erstattungsfähigen Beträge wertet der Niedersächsische Altphilologenverband als einen Schritt in die richtige Richtung.
Die vormaligen Tagessätze waren nicht mehr zeitgemäß, eine Anhebung ist dringend nötig gewesen und macht rückblickend deutlich, zu welch unzumutbaren Konditionen Lehrkräfte zuvor für Schulfahrten von ihrem Dienstherrn entschädigt wurden. Die Anhebung ist ein Zeichen lange vermisster Anerkennungskultur gegenüber dem vielfältigen pädagogischen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, wobei jedoch das Ansinnen, Lehrkräften nur gekürzte Entschädigungspauschalen zu erstatten, inakzeptabel bleibt. Für Auslandsreisen ist zu erwarten, dass bei den Aufwendungen für Unterkünfte Kosten ungedeckt bleiben.

Die Erhöhung der Anrechnungsstunden hingegen ist aufgrund ihres verschwindend geringen Umfanges in dieser Hinsicht eher ein Affront. Der zeitliche Mehraufwand während einer Fahrt übersteigt die täglich gewährte Entlastungsstunde bei weitem. Ganz unberücksichtigt bleiben Planung und Vorbereitung der Fahrt inklusive aller Formalia und organisatorischen Aufgaben. Hier wäre eine Entlastungsstunde für die Planungsphase angemessen.

So sehr das Vorhaben der Landesregierung zur Verbesserung der Erstattung der finanziellen Auslagen in die richtige Richtung geht - es muss klar sein, dass das bisherige Budget der eigenverantwortlichen Schulen, aus dem neben den Schulfahrten auch Tagesexkursionen, Fortbildungen und Personalmaßnahmen zu zahlen sind, spürbar angehoben werden muss, um für die Schülerinnen und Schüler in vorgesehener Anzahl Schulfahrten anbieten zu können. Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt, dass die finanziellen Mittel einer Schule schnell erschöpft sind:

Wenn vier Klassen eines Jahrgangs mit je zwei Kollegen für 60 Euro (Hin- und Rückfahrt) 5 Tage an die Ostsee fahren und die begleitenden Lehrkräfte dort 30 Euro im EZ bezahlen, bei HP auch auf die Verpflegungspauschale Anspruch haben und 20 Euro Programmgeld abrechnen, sind das 60€ + 30€ x 4 + 4€ x 5 + 20€ = 220 €. Für die acht begleitenden Lehrkräfte in dem Jahrgang ergeben sich 1760 Euro an Kosten – ca. ein Viertel des Gesamtbudgets einer Schule mit ca. 750 Schülern.

Da es sich hierbei um ein Finanzbeispiel an der unteren Grenze der Mindestkosten für eine fünftägige Schulfahrt handelt, wirkt es wie Ironie, wenn der Schulfahrtenerlass in § 2.2 für die Schulzeit vom Jahrgang 5 bis zum Ende des Sekundarbereichs II fünf Schulfahrten im Inland vorsieht, für die bis zu sechs Schultage in Anspruch genommen werden können.
Zusätzlich gewährt der Erlass in § 2.3 für Schulfahrten ins Ausland bis zu acht Unterrichtstage und ermöglicht Austauschfahrten ins Ausland von bis zu 14 Tagen (§ 5.1), maximal bis zu einem Monat (§ 5.2), deren Kosten natürlich deutlich höher liegen als die Kosten für Schulfahrten im Inland.

Ehrlicherweise müsste also das den Schulen zugewiesene Budget entweder an die im Schulfahrtenerlass erlaubten Fahrten angepasst werden oder umgekehrt die Menge der im Schulfahrtenerlass erlaubten Fahrten auf das reduziert werden, was mit den vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten Mitteln finanzierbar ist.
Andernfalls ergibt sich bei einer derartigen Rechnung schnell die Befürchtung, dass kostenintensivere Schulfahrten nicht mehr finanzierbar sein werden – und dazu gehören auch Studienfahrten.

Der Niedersächsische Altphilologenverband sieht diese drohende Entwicklung mit großer Sorge und unterstreicht gerade für die Klassischen Sprachen die Bedeutsamkeit der Schulfahrten an den außerschulischen Lernort.

Nach jahrelanger Beschäftigung mit Themen und Texten aus der Antike und deren Rezeption in der europäischen Kulturtradition stellt die Begegnung mit Zeugnissen der Antike gewissermaßen für die Schülerinnen und Schüler einen Höhepunkt ihrer interkulturellen Erfahrung dar.
Wenn es ihnen möglich wird, ihre im Unterricht erworbenen Kenntnisse am authentischen Entstehungsort der Texte in der direkten Auseinandersetzung mit der Architektur und den Kunstwerken und damit in Bezug auf die in ihnen propagierten Wertvorstellungen mit unseren Maßstäben und Selbstverständlichkeiten in einem vertieften Verstehensprozess zu reflektieren, leisten Studienfahrten in die Zentren europäischer Kultur in prägender Weise kulturelle Persönlichkeitsbildung.

Studienfahrten sind somit eine fruchtbare und notwendige Ergänzung des sprachlich-literarisch ausgerichteten Altsprachlichen Unterrichts. Sie stellen mit ihrem besonderen Charakter einer von wissenschaftlich geschulten Fachkräften geleiteten Bildungsreise einen Typ von Schulfahrt dar, der zunehmend aus der Erlebenswelt der Schüler zu verschwinden droht, den es aufgrund seiner Bildungswirksamkeit aber zu bewahren gilt.
Der Niedersächsische Altphilologenverband fordert daher, das Budget der eigenverantwortlichen Schulen so auszustatten, dass Schülern nicht aus Geldmangel die Möglichkeit genommen wird, Schulfahrten zu erleben. Ohne ein klares, auch finanzielles Bekenntnis – ist der Erlassentwurf ein Fahrten-Verhinderungserlass, der insbesondere die kostenintensiveren, dafür aber bildungswirksamen Studien- oder Austauschreisen in Gefahr bringt.

Der Niedersächsische Altphilologenverband appelliert zudem an die Landes-regierung, für die „Nutzung von Freiplätzen durch Lehrkräfte" insbesondere für kostenintensive Studien- oder Austauschreisen die rechtlichen Grundlagen zu schaffen. Da die den Lehrern entstehenden Reisekosten keine privaten Kosten, sondern nur durch Vorleistung für den Dienstherrn entstandene Kosten sind, sollten die von den Reiseveranstaltern gewährten Freiplätze dazu verwendet werden, durch Überweisung des Gegenwertes des Freiplatzes auf das Schulkonto das Fahrtenbudget der Schule aufzustocken, um so durch mehr Finanzmittel die Verpflichtungen des Dienstherrn zur Erstattung der Fahrtenkosten gewährleisten zu können.

Prüfenswert könnte auch sein, analog zur Lernmittelleihgebühr eine Schulfahrten-gebühr von allen Eltern, deren Kinder an Schulfahrten teilnehmen, zu erheben (z.B. prozentual zu den Schulfahrtenkosten oder als Festsatz), um das Fahrtenbudget der Schule so aufzustocken, dass es für die vorgesehenen Schulfahrten ausreicht.